5 Fragen an: Andrea (Fachkraft für Stillförderung & Laktationsberaterin)

Unsere 5 Fragen gehen heute an Andrea, die als Kinderkrankenschwester angefangen hat und mittlerweile Fachkraft für Stillförderung, Still- und Laktationsberaterin, Schlafberaterin, Referentin für Stillen und Säuglingsernährung ist. Und med. Fachtexte, u.a. für das Vereinsblatt der AFS, schreibt sie ebenfalls.

Stell dich bitte ganz kurz vor – was machst du so? Wie bist du dahin gekommen, wo du jetzt bist? Und: Bist du zufrieden mit der aktuellen Situation?

Hallo Zusammen, ich bin Andrea und lebe mit meiner Familie in der Eifel. Seit mittlerweile fast 20 Jahren arbeite ich speziell in der Geburtshilfe. Von Haus aus bin ich Kinderkrankenschwester, Fachkraft für Stillförderung, Still- und Laktationsberaterin, Schlafberaterin, Referentin für Stillen und Säuglingsernährung und schreibe medizinische Fachtexte u.a. für die AFS. Ich bin Mutter dreier Kinder, die unterschiedlicher kaum sein können. Durch meine eigenen Kinder hat sich meine Beratung sehr stark verändert. Man erhält eine ganz andere Sichtweise auf viele Dinge.

Seit 2017 bin ich neben der Klinik auch freiberuflich in der Eltern-Beratung, speziell in der Still- und Schlafberatung tätig, gebe Kurse, leite Müttergruppen und bin in meinem Fachbereich auch sehr viel ehrenamtlich unterwegs. Mir macht die Arbeit mit den Familien einfach unheimlich viel Spaß und ich bin an einem Punkt, wo ich ohne Zweifel sagen kann: Das ist genau das, was ich immer wollte. Eine individuelle Unterstützung, tolerant, wertschätzend und auf die familiäre Situation angepasst.  – Hilfe zur Selbsthilfe.

Dabei begeistert mich sehr, dass ich von meinem Arbeitgeber die Möglichkeit bekommen habe Klinik und Freiberuflichkeit miteinander zu verbinden, denn beides hat seine Reize.

Die Gründung der Eifel-Stillberatung 2017 war ein großer Schritt und ich würde ihn immer wieder gehen. Denn es gibt mir die Möglichkeit mein gesamtes Wissen, auf ganz unterschiedliche Art und Weise, miteinander zu verbinden. So biete ich auf meiner Homepage Eifel-Stillberatung.de z.B. einen InfoBlog, mache Hausbesuche, telefonische und Mailberatung und auch die Onlineberatung nimmt zu. Ich bediene mittlerweile ein sehr großes Gebiet zwischen Köln, Trier, Koblenz und dem belgischen Grenzgebiet.

Jede Frau sollte sich eine Stillberatung leisten können, daher mische ich in meinem Konzept die ehrenamtliche und die kostenpflichtige Beratung. Auch wenn es sehr arbeits- und zeitaufwendig ist.

Gute Stillberatung ist individuell angepasst, situativ, flexibel, wertschätzend, tolerant. Ich unterstütze Familien auf deren eigenem Weg und zeige Alternativen auf. Aber ich gebe keinen Weg vor. Eltern müssen in der Lage sein, gut informierte Entscheidungen zu treffen, die sich für Sie selbst richtig anfühlen. Genau dabei unterstütze ich, denn es gibt nicht die Lösung für das Problem und manchmal muss man auch einmal vom Standard abweichen, um ein vielleicht genauso gutes oder sogar besseres Ergebnis zu erzielen.

Was dazu gehört: Weiterbildung – ununterbrochen auf einem aktuellen Stand bleiben, fachliche Kompetenz gepaart mit Empathie und auch die eigenen Grenzen, als Beraterin zu kennen und zu wahren.

Welche drei Punkte würdest du einer Stillberaterin in Ausbildung ans Herz legen? Wie schätzt du die verschiedenen Ausbildungsformen und Wissensstände der Stillberatungsorganisationen ein?

  1. Lerne deine Grenzen kennen und bewahren, fachlich wie menschlich.
  2. Wir beraten und unterstützen, aber wir dürfen uns nicht verleiten lassen, die eigenen Ansichten mit in eine Beratung zu nehmen.
  3. Eine gute und ausführliche Anamnese macht schon die halbe Beratung aus, denn ganz oft liegen die Dinge nicht so, wie sie anfangs scheinen. Daher meine Empfehlung mit offenen Augen und offenen Ohren in eine Beratung gehen und auch einfach mal Fragen, was sich eine Mutter eigentlich wünscht oder erhofft.

Es gibt meiner Meinung nach mittlerweile viel zu viele verschiedene Ausbildungsgänge und Weiterbildungsmöglichkeiten von unterschiedlichen Institutionen. Die Angebote sind für Mütter unheimlich unübersichtlich: wer darf was, wer hat welche Qualifikation und wo liegen da Unterschiede. Die Grauzonen zwischen den Ausbildungen sind groß und nicht selten gehen einige Beraterinnen auch weit über Ihre Grenzen hinaus – weil sie ja eigentlich helfen möchten. Netzwerken heißt hier das Zauberwort.

Ehrenamtliche Stillberatung kann man nicht mit der Qualifikation einer IBCLC (oder gleichwertigen Abschlüssen wie meiner) vergleichen. Unterstützung von Mutter zu Mutter ist eine große Hilfe, besonders beim ersten Kind und ersetzt ein bisschen den Charakter der „Großfamilie“, aber die Grenzen sind auch sehr schnell erreicht und z. B. bei einer schlechten Gewichtsentwicklung des Kindes ist die Mutter-zu-Mutter-Beratung eine seelisch-moralische Unterstützung der Mutter. Die Beratung über weitere Vorgehensweisen, Ursachenforschung und alternative Möglichkeiten gehört dann aber in qualifiziertere Hände, was natürlich eine gemeinschaftliche Betreuung der Familie nicht ausschließt.

Ich unterstütze dabei auch gerne „junge“ oder „unerfahrenere“ Kollegen mit Rat und Tat. Das macht mir Spaß und ich gebe mein Wissen gerne weiter.

Was ist deine Lieblingsfrage einer ratsuchenden Stillenden – und warum?

„Warum meldet sich mein Kind nachts so oft?“ – diese Frage ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Unsere Kinder sollen tagsüber gut erzogen, angepasst, lieb und brav sein und nachts durchschlafen. Parallel sollen sie sich aber zu selbstständigen Individualisten entwickeln.

Bei dieser Frage kann ich sehr viel über die physiologische Entwicklung eines Menschen erklären: Was braucht ein Kind und wie wichtig bindungsorientiertes Verhalten innerhalb der Familie ist. Stillen und Schlafen liegen da sehr eng beieinander.

Ganz oft geht eine Stillberatung dann auch in eine Schlafberatung und umgekehrt über. Beides sind Themen, die mir sehr am Herzen liegen. Ich möchte das Eltern verstehen können, warum ein Kind das tut, was es tut – es ist ein Entwicklungsprozess der Jahre dauert und der seinen Sinn hat. Das nächtliche Stillen versorgt dabei das Gehirn mit den Nährstoffen die es braucht: Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate aber auch Sicherheit, Geborgenheit, Zuneigung, Vertrauen.

Wir brauchen mehr als Nahrung, um zu Überleben.

Was ist für deinen Alltag als Stillberaterin absolut unverzichtbar? Und natürlich vor allem: Warum ist es unverzichtbar

Ein offenes Ohr, Stift und Papier.

Ich versuche genau hinzuhören, wo die Schwierigkeit liegt, denn ganz oft ist es nicht dort, wo es zu sein scheint. Aktives Zuhören, Notizen machen und Hinterfragen, benötigt Zeit ist aber im Ergebnis umso effektiver.

Aber auch „Stilldok“ für wirklich genaue und detaillierte Gewichtskurven sind mittlerweile unverzichtbare Begleiter.

Aber das wichtigste ist: Zeit!

Meine Termine dauern selten unter 1,5 Stunden. Dabei begleite ich viele Familien über Monate hinweg – oft bis ins zweite Lebensjahr.

Ich nehme mir für jede Familie die Zeit, die es braucht. Ich versuche langfristige Möglichkeiten und Alternativen zu finden und keine kurzen Erfolge, die langfristig aber nicht umsetzbar sind.

Zeit: diesen Luxus nehme ich mir, auch wenn es aus unternehmerischer Sicht nicht sinnvoll und an vielen Stellen auch unwirtschaftlich ist. Die Balance trägt das Konzept und menschlich geht es mir verdammt gut damit.

Liebe Grüße

Andrea Böttcher


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