5 Fragen an ITlerin Anja, die sich politisch engagiert. Sie ist ehrenamtliche Stillberaterin der AFS und Mutter. Anja möchte anonym bleiben, deshalb verzichten wir an der Stelle auf ein Bild & den vollen Namen.
Stell dich bitte ganz kurz vor – was machst du so? Wie bist du dahin gekommen, wo du jetzt bist? Und: Bist du zufrieden mit der aktuellen Situation?
Ich heiße Anja, bin 30 Jahre alt und arbeite in der IT. Meine Kinder habe ich außerklinisch bekommen und es jeweils waren intensive und starke Erfahrungen. Dadurch habe ich einerseits erlebt, welch Macht eine individuelle und bedürfnisorientierte Begleitung auf die Mutter hat, und bin andererseits mit Vereinen in Kontakt gekommen, die sich dafür einsetzen, dass jede Frau diese Art der Begleitung bekommen kann. Während meiner Elternzeit habe ich ehrenamtlich eine Krabbelgruppe geleitet und dadurch erlebt, wie sehr meine Geburts- und Stillerfahrungen in krassem Gegensatz zu denen der meisten anderen Frauen um mich rum stehen, und wie hilfreich das Gespräch mit anderen erfahrenen Müttern ist. Der Schritt zur Stillberaterinnen-Ausbildung bei der AFS zur fachlichen Untermauerung war nicht weit.
Mittlerweile arbeite ich Vollzeit, sodass sich meine Beratungen auf Bekannte und gelegentliche Email- und Telefonberatungen beschränken; außerdem kann ich den Vereinen, in denen ich mich engagiere, mit Fachwissen zur Seite stehen und somit an der politischen Front Stillberatung anbieten.
Was macht für Dich wirklich gute Stillberatung aus? Auf welche Punkte legst du selbst besonders wert, um deine Mütter optimal zu begleiten?
Gute Stillberatung bedeutet für mich, dass ich die Mutter dort abhole, wo sie steht, und mit ihr gemeinsam ihre Situation betrachte.
- Was ist ihr Ziel?
- Was ist ihr möglich zu tun, um dieses zu erreichen?
Natürlich habe ich eine Idealvorstellung von der Welt, aber dies muss nicht die Vorstellung der Mutter mir gegenüber sein. Die Mutter wendet sich an mich, weil sie Hilfe braucht, und ich biete ihr ein offenes Ohr (und wie oft das allein schon reicht!) und bei Bedarf eine Auswahl an Fachwissen, sowie eine gemeinsame Suche danach, was ihr in ihrer Situation helfen kann und wie sie es umsetzen kann. Ich bin sozusagen die Stillgruppe, die ihr mit Erfahrung und Wissen zur Seite steht.
Welche drei Punkte würdest du einer Stillberaterin in Ausbildung ans Herz legen? Wie schätzt du die verschiedenen Ausbildungsformen und Wissensstände der Stillberatungsorganisationen ein?
Ich würde einer angehenden Stillberaterin ans Herz legen, sich ihr persönliches Ziel in der Beratungsarbeit bewusst zu machen, und anhand dieses Ziels die Stillberatungsorganisation auszuwählen. Ich erlebe in allen Stillberatungsorganisationen eine unheimliche Menge an Fachwissen und Lebens- und Beratungserfahrung und kann nur errmutigen, den Austausch zu suchen und diesen Schatz mit zu nutzen.
Weiterhin finde ich wichtig, den Blick auf sich selbst zu behalten. Was will ich leisten und was kann ich leisten (sowohl persönlich als auch fachlich)? So notwendig, wie ich kompetente Stillberatung für Mütter finde, so bin ich persönlich doch nicht bereit, mich dafür aufzuopfern: Ich berate, wenn ich selbst die Zeit und Ruhe dafür habe, und die Beratung meine Kompetenz nicht übersteigt. Und wenn meine Umstände es aktuell nicht zulassen, dann sage ich hilfesuchenden Frauen ab und leite sie nach Möglichkeit an andere Stillberaterinnen weiter.
Hier tritt für mich auch immer wieder ein grundlegender Konflikt zutage: Es ist dringend eine wirtschaftliche und politische Wende erforderlich, um diese notwendige Unterstützung allen Frauen und grundsätzlich zur Verfügung zu stellen. Aktuell machen wir Frauen das, was wir am besten können: Wir springen unentgeltlich für andere in die Bresche – und von außern sieht es dann so aus, als ob alles in Ordnung ist.
Damit bin ich bei meinem dritten Punkt: mache die Situation sichtbar! Nutze deine Beratungserlebnisse, um diesen Umstand öffentlich zu machen! Stillberatung als Dienstleistung muss angemessen entlohnt werden (aber nicht von den Frauen!), und Stillberatungswissen muss zwingend Ausbildungsgegenstand von allen Berufsgruppen sein, die Schwangere und junge Mütter versorgen. Ehrenamtliche Stillberaterin sollte nicht notwendig sein.
Was ist deine Lieblingsfrage einer ratsuchenden Mutter – und warum?
Ich freue mich immer sehr über die Beratungsgespräche zur Logistik von Langzeitstillen (unabhängig davon, was die jeweilige Frau unter „lang“ versteht) bzw. Arbeiten und Stillen. Das sind immer herrlich offene, herzliche und persönliche Gespräche, bei denen immer die individuelle Lebenssituation ganz klar Beratungsgegenstand ist.
Was ist für deinen Alltag als Stillberaterin absolut unverzichtbar? Und natürlich vor allem: Warum ist es unverzichtbar?
Vor einer Beratung stelle ich sicher, dass ich genügend Zeit habe und Zettel und Stift liegen immer bereit. Ebenso finde ich Vernetzung unverzichtbar – zum Weiterleiten, zum fachlichen Austausch, zum Brainstorming, und um über den Tellerrand zu schauen.
Danke Anja für Deine Zeit und deine Antworten!
Magst Du auf dem Laufenden bleiben und neue Interviews & Terminankündigungen bequem ins Postfach geliefert bekommen? Dann hol Dir unseren Newsletter!